Die arbeitslose Gesellschaft

Zur Pathologie der Politischen Ökonomie am Ende der Vollbeschäftigungsillusion


 


Logo Alt. WiWisAm 26. und 27. April 1997 führen wir, die Alternativen Wirtschaftswissenschaftler/-innen Marburg, eine Tagung mit dem Titel "Die arbeitslose Gesellschaft. Zur Pathologie der Politischen Ökonomie am Ende der Vollbeschäftigungsillusion" durch. Sie findet in der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg, Wilhelm-Röpke-Str. 6, statt und beschäftigt sich mit den Grenzen und Möglichkeiten der Regulierung des Arbeitsverhältnisses angesichts der herrschenden Massenarbeitslosigkeit. Interessierte sind hiermit herzlich eingeladen, an der Tagung teilzunehmen.


Die nachfolgenden Informationen über die Thematik der Tagung, den Tagungsablauf und die Anmeldungsmodalitäten können Sie auch als Faltblatt postalisch bei der nachfolgender Adresse -

Alternative WiWis

Im Gefälle 34

35039 Marburg

- oder über E-Mail anfordern.


Einführung in die Thematik der Tagung

Es muß als Ausdruck tiefgreifender Desillusionierung sowohl der wirtschaftspolitischen Praxis als auch der ökonomischen Theorie gewertet werden, wenn in der derzeitigen Diskussion über das Problem der Massenarbeitslosigkeit Vollbeschäftigung als politisches Ziel kaum noch eine Rolle spielt. Angesichts der seit 20 Jahren wieder wachsenden Arbeitslosigkeit scheint der Anspruch, Vollbeschäftigung garantieren zu können, aufgegeben worden zu sein. Jenseits der ehemals als erfolgreich erachteten keynesianisch inspirierten Instrumente der Fiskal- und Geldpolitik richtet sich das Augenmerk heute auf Regulierungen des Arbeitsverhältnisses und hierbei vor allem auf die sozialen Sicherungssysteme für Beschäftigte und Beschäftigungslose. Auch wenn die Krisenanfälligkeit dieser Sicherungssysteme in der politischen Diskussion instrumentalisiert wird, bleibt doch zu konstatieren, daß die Kopplung sozialer Sicherheit an die Lohnarbeit einer Zeit entstammt, in der Vollbeschäftigung als politisches Ziel garantierbar erschien. Aus heutiger Sicht wird deutlich, daß dieser Optimismus einer spezifischen historischen Befangenheit geschuldet war. Denn im historischen Rück- und geographischen Rundblick erweist sich der Zustand der Vollbeschäftigung als eine räumlich und zeitlich äußerst beschränkte Tatsache. Nimmt man von der wahrscheinlich vermessenen Annahme Abstand, diese Ausnahmeerscheinungen seien eine Konsequenz besonders gelungener Wirtschaftspolitik -- sei es durch Entfesselung der Marktkräfte oder staatlichen Interventionismus -, dann gilt es sich damit abzufinden, daß im Kapitalismus Vollbeschäftigung nur unter spezifischen Bedingungen zu realisieren sein wird, die nur schwerlich bewußt herbeigeführt werden können. Das Augenmerk kann sich so auf die Möglichkeiten richten, welche eine -- umfassend verstandene -- Wirtschaftspolitik in Form der politischen Regulierung des Arbeitsverhältnisses hat. Zu reflektieren ist hierbei zunächst, inwieweit die derzeit offensiv propagierten neoliberalen Konzepte wie Deregulierung und Flexibilisierung mehr sind als ein erneuter Versuch, Vollbeschäftigung herzustellen, ohne deren Ausnahmecharakter zu berücksichtigen. Vor allem in der komparativen Analyse länderspezifischer Regulierungsformen und ihrer ökonomischen Ergebnisse könnte sich erweisen, daß solche Konzepte weder geeignet sind, den derzeitigen Mangel an Lohnarbeit zu beheben, noch eine stabile gesellschaftliche Entwicklung sicherzustellen. Lohnarbeit hat außer der ökonomischen Funktion als Produktionsfaktor immer auch die gesellschaftliche Aufgabe, die Reproduktion der Individuen und der Gesellschaft zu ermöglichen -- eine Tatsache, die es erlaubt über ein Primat der Regulierung von Arbeit nachzudenken. Soll diese Regulierung über die bisherigen Versuche des Einrichtens in der Misere und der Schuldzuweisung an die Individuen hinausgehen, dann muß sie den Warencharakter der Lohnarbeit nachhaltig infrage stellen.

Die zunehmende Kluft zwischen der ökonomischen und gesellschaftlichen Bedeutung der (Lohn-)Arbeit zeigt, daß Massenarbeitslosigkeit die Verfassung einer Gesellschaft zur Disposition stellen muß, in der Reproduktionschancen hauptsächlich über die Möglichkeit zum Verkauf individueller Arbeitskraft zugewiesen werden. Das Verhältnis von Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit ist daher ebenso zu thematisieren, wie jenes von Arbeit und Freizeit. Denn Beschäftigung hat schließlich mehrere Momente: Wert zu produzieren, etwas zu tun zu haben, gesellschaftliche Integration zu sichern, am Sozialsystem partizipieren und sich reproduzieren zu können. Die Vorstellung vom Normalarbeiter mit seiner geregelten wöchentlichen Arbeitszeit, seiner sozialen Sicherung und der dazugehörenden Zuweisung von Reproduktion und Reproduktionsarbeit an die Privatsphäre kann sich für eine Arbeitspolitik nach dem Ende der Vollbeschäftigungsillusion als Hemmschuh erweisen. Eine hierzu alternative Politik, die die gesellschaftliche Funktion der Lohnarbeit in den Vordergrund rückt, bietet damit auch Ansatzpunkte, als Medium der Emanzipation zu dienen. Das Festhalten am Normalarbeitsverhältnis mit seiner geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung behindert nicht nur diese Emanzipation, sondern blockiert auch Möglichkeiten der Umverteilung von Lohnarbeit, die es vielleicht erlauben würden, die Arbeitslosigkeit drastisch zu reduzieren.

Sollen diese Probleme der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit theoretisch fundiert angegangen werden, müssen deren globale Dimensionen und Ursachen Berücksichtigung finden. Dies heißt zweierlei: Erstens ist die Frage zu stellen, ob und inwiefern verschiedene Strategien der Metropolen die Situation in der Peripherie beeinflussen werden. Zweitens muß überprüft werden, ob diese Optionen verallgemeinerbar sind und in der Peripherie erfolgreich zu realisieren wären. Daß Vollbeschäftigung im globalen Rahmen noch unvorstellbarer ist als für eine einzelne entwickelte Volkswirtschaft, macht nur deutlich, welcher umfangreichen theoretischen und praktischen Anstrengungen es bedarf.


Der Tagungsablauf

- aktualisierte Fassung vom 15.04.1997 -

Samstag, 26.4.1997

* 12.00 Uhr Begrüßung

* 12.15 Uhr Jan Priewe (Prof. a.d. FHTW Berlin)

Makroökonomische Politik und Arbeitslosigkeit in Deutschland

* 13.50 Uhr Friederike Maier (Prof. a.d. FHW Berlin)

Arbeitsmarkttheorien und Geschlechterverhältnis

* 15.25 Uhr Otto Kreye (Starnberger Institut)

Internationale Arbeitsteilung und Arbeitslosigkeit

* 17.00 Uhr Reinhard Pirker (WU Wien, z.Zt. Cambridge)

Arbeit ist (k)eine Ware -- über die Regulierung sozialer Verhältnisse

* 18.30 Uhr Ende des Tagesprogramms

Sonntag, 27.4.1997

* 9.30 Uhr Stefan Lessenich (Uni Göttingen)

Die Strategie der Schnecke: Soziale Sicherung nach der Vollbeschäftigung

* 11.05 Uhr Ute Klammer (WSI, Düsseldorf)

Reformbedarf und Reformoptionen der sozialen Sicherung vor dem Hintergrund der "Erosion des Normalarbeitsverhältnisses"

* 12.40 Uhr Ronald Schettkat (Prof. a.d. Universiteit Utrecht)

Das Einkommens- und Beschäftigungsproblem der Industrieländer

* 15.00 Uhr Ende der Veranstaltung


Anmeldungsmodalitäten

Falls Sie sich per Post anmelden wollen, richten Sie bitte Ihre Anmeldung für die Tagung bis zum 20. April 1997 an folgende Adresse:

Alternative WiWis

Im Gefälle 34

35039 Marburg

Sie können sich per Post oder über E-Mail anmelden. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, über die obige Adresse oder E-Mail erst ein Anmeldungsformular anzufordern.


Die Anmeldung sollte in etwa die Punkte der folgenden Musteranmeldung berücksichtigen.

Ich nehme an der Tagung "Die arbeitslose Gesellschaft" am 26./27.4.1997 in Marburg teil.
Die Anmeldegebühr von 15,-- DM (K&K incl.) habe ich auf das Konto mit der Nummer 1015006087 bei der Sparkasse Marburg-Biedenkopf, BLZ 533 500 00, überwiesen.
Meine Anschrift lautet _______________________________________.
(Falls gewünscht, entsprechendes auswählen:) Ich bitte um Reservierung einer Übernachtungsmöglichkeit für den 25.4. und/oder 26.4. in einer Jugendherberge (ca. 25,- mit Ausweis) oder im Hoteleinzelzimmer (ca. 80,-) oder im Hoteldoppelzimmer (ca. 65,- pro Person).


Stand: 15.04.1997, Bearbeiter: tn



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